Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 16mm, color, silent, 17 mins
In seiner neuen Arbeit “Sammlung Bau und Schmuckstein altes Rom” zeigt uns Hannes Böck Ansichten von 55 Steinproben aus einer Sammlung von antiken römischen Baumaterialien die heute im NHM Wien liegt. Gefilmt auf 16mm Farbmaterial, aneinandergereiht für jeweils 20 Sekunden, wirken sie wie Fragmente einer abstrakten Komposition.
Drei imperiale Repräsentationen legt der 15 minütige Film übereinander: Die koloniale Vereinnahmung der natürlichen Ressourcen in den eroberten Gebieten durch das römische Kaiserreich, die Legitimierung des europäischen Imperialismus durch den Rückbezug auf eine idealisierte griechisch-römische Vergangenheit, sowie die Institutionalisierung/diskursive Konstruktion(?) der Fotografie als objektivierendes Werkzeug im Dienste der modernen Wissenschaft.
Die Ursprünge der titelgebenden Sammlung liegen in der römischen Ausbeutung von Steinvorkommen die vor allem an den Rändern des Imperiums lagen und für Repräsentationszwecke genutzt wurden. So beginnt zum Beispiel nach der Annexion Ägyptens durch Augustus 30 v. Chr der Abbau ägyptischer Granit- und Porphyrvorkommen in der Östlichen Wüste zwischen dem Niltal und dem Roten Meer durch die römischen Eroberer. Der Triumph der römischen Kaiser über die ägyptischen Pharaonen und der Machtanspruch über die neue Provinz wird in den Prachtbauten Roms mit monolitischen Säulen aus grauem Granit des Mons Claudianus und dem rosa Granit aus Assuan, der Jahrtausende lang den Pharaonen vorbehalten war, symbolisiert. Der finanzielle und organisatorische Aufwand der betrieben werden musste um den Stein zu gewinnen und nach Rom zu transportieren liess sich kaufmännisch nicht rechtfertigen sondern wurde allein durch politische Interessen ermöglicht. Der Stein ist nicht allein Schmuck oder architektonische Mode, sondern in seiner Substanz und Provinienz ein ästhetisches Programm, das die imperiale Beherrschung und koloniale Verfügung über die unterworfenen Landstriche symbolisiert. Ägypten ist Rom.
Die zweite imperiale Repräsentationsstrategie, die der Film der vorangegangenen überlagert ist die “Entdeckung” der Griechisch-Römischen Antike in Nord-West Europa des 18. und 19. Jahrhunderts. Die vielmals in kolonial angeeigneten Gebieten gelegenen antiken Stätten (Süditalien, Kleinasien, Nordafrika, Naher Osten) mussten entdeckt, katalogisiert, fotografiert und musealisiert werden um einer neu geschriebenen historischen Narration zur Verfügung zu stehen, die sich teleologisch von einer imaginiert weissen archaischen Epoche bis zum globalen Herrschaftsanspruch der europäischen Neuzeit ungebrochen und unfehlbar entwickelte. Vor allem die römische Vergangenheit wurde durch die Brille des Zeitalters des Imperialismus gelesen und in einer historischen Tautologie als kulturelle Rechtfertigung der eigenen Herrschaftsphantasien interpretiert.
Böck benutzt fotografische Codes um diese beiden Zeitebenen zu verschränken. Das Bemühen des filmischen Bildes um imperiale Strategien zu diskutieren kommt nicht von ungefähr. Ist doch die Fotografie im 19. Jhdt ebenso in eine tautologische Argumentationskette des objektiven Beweises eingespannt. Um als Grundlage einer langen Reihe wissenschaftlicher Narrationen zu dienen muss für die Fotografie erst ihre Eigenschaft als natürlich-objektiver Vorgang, der wissenschaftliche Wahrheit erzeugt, konstruiert werden. Die Vorstellung und Bedeutung von Fotografie wird unter den Vorzeichen des europäischen Imperialismus geschaffen, ihre Eigenschaften haben seinen Bedürfnissen und denen der neuen objektiven Wissenschaften zu dienen. Kunstgeschichte, Archäologie, Enthnolgie, sind ohne die der Fotografie innewohnende automatische Beweiskraft nur schwer denkbar. Die Fotografie eines Artefakts, eines Objekts der Forschung sei es belebt oder unbelebt, beweist gleichermassen seine Existenz, als auch seine unbedingte Verfügbarkeit für diejenigen die die Macht über die Technologie der mechanischen Abbildung besitzen.
So verhält sich die Steinprobe in einem Archiv des NHM wie der ägyptische Stein im römischen Pantheon: als Symbol der jeweiligen imperialen Repräsentationspolitik.